Was für ein Alptraum: Man geht gut gelaunt zur Arbeit und plötzlich ziehen dunkle Gewitterwolken auf. Die Chefin begegnet einem auf dem Flur und sagt, dass man einen Bock geschossen hat, und überschüttet einen mit jeder Menge Kritik.
Es wird einem heiß und kalt und der Kopf ist wie leergefegt. Und man hast keine Ahnung, was man jetzt tun und sagen soll.
Angst vor ungerechter Kritik ist weit verbreitet
Hast du so eine Situation auch schon erlebt? Viele Menschen haben Angst vor ungerechter Kritik und wüssten gerne, wie sie sich dagegen wehren und abgrenzen können.
Ein Grund, warum uns das so schwerfällt: In solchen Momenten wird der innere Kritiker besonders laut und lässt die eigenen Selbstzweifel übermächtig werden.
Als Coach und Therapeutin möchte ich dir in diesem Blogbeitrag fünf konkrete Schritte aufzeigen, wie du mit Souveränität und Selbstmitgefühl durch solche herausfordernden Situationen navigieren kannst.
Beispiel aus der Praxis: Anna und die unerwartete Kritik
Vor kurzem begleitete ich Anna, eine engagierte Projektmanagerin, die seit vier Monaten einen neuen Job hatte. Sie machte viele Überstunden, weil es jede Mengel Arbeit gab und niemand Zeit für ihre Einarbeitung hatte. Ihr Chef antwortete meist nicht auf ihre Mails und sie musste sich die meisten Informationen, die sie brauchte, selbst zusammensuchen.
Bei einem Projekt, für das sie verantwortlich war, fehlten wichtige Unterlagen und der Abgabetermin stand kurz bevor.
Ihr Chef stürmte in ihr Büro und fuhr sie an. Er wollte wissen, warum die Unterlagen noch nicht vollständig waren, und warf ihr vor, zu langsam zu arbeiten. Anna war wie erstarrt und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Ihr Kopf war wie leergefegt und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Sie fühlte sich ungerecht behandelt und zweifelte gleichzeitig an sich selbst. Obwohl ein Teil von ihr wusste, dass ihr Chef ihr nicht die erforderlichen Informationen gegeben hatte, fragte sie sich, ob sie es nicht doch hätte hinkriegen müssen. Vielleicht lag es doch an ihr.
Ihre Selbstzweifel wurden so groß, dass sie nicht mehr sachlich antworten konnte und wie ein Häufchen Elend vor ihrem Chef stand.
Sie kann nicht verstehen, warum sie nicht einfach ganz ruhig auf diese Kritik reagieren konnte, und ärgert sich hinterher schließlich noch über sich selbst.
Ihre Reaktion hat vor allem mit ihrem inneren Kritiker und seiner Auswirkung auf unseren Körper zu tun.
Was passiert bei Kritik in unserem Körper?
In diesen herausfordernden Situationen fühlen wir uns häufig wie gelähmt und handlungsunfähig.
Das Gefühl der Lähmung lässt sich auf verschiedene psychologische und neurologische Faktoren zurückführen, die sich blitzschnell auf unseren Körper und unser Verhalten auswirken. Das zu wissen, ist ein erster Schritt zur Entlastung und Veränderung.
Und das passiert in deinem Körper und in deinen Gedanken, wenn du kritisiert wirst:
#1 Aktivierung des Überlebensmechanismus:
Die Kritik aktiviert den inneren Kritiker, der in unserem Gehirn den „Überlebensmechanismus“ einschaltet. Dieser Mechanismus ist evolutionär bedingt und diente dazu, auf potenzielle Gefahren schnell zu reagieren. Auch heute interpretiert der innere Kritiker Kritik oft als Bedrohung, was zu einer stressbedingten Lähmung führen kann. Man nennt sie auch den „Totstellreflex“.
Mehr über den inneren Kritiker kannst du in diesem Blogbeitrag lesen: Den inneren Kritiker zähmen.
#2 Amygdala-Reaktion:
Die Amygdala ist der Teil des Gehirns, der aktiv wird, wenn Gefahr droht. Kritik kann deshalb eine starke emotionale Reaktion auslösen, insbesondere wenn sie als persönlicher Angriff wahrgenommen wird.
#3 Negative Selbstgespräche:
Der innere Kritiker startet unsere negativen Selbstgespräche. Diese inneren Dialoge, die sich auf Selbstzweifel und negative Bewertungen konzentrieren, verstärken das Gefühl der Lähmung. Sie erschaffen eine Art mentalen Nebel, der die Fähigkeit zur klaren und konstruktiven Denkweise beeinträchtigt.
#4 Angst vor Ablehnung
Kritik kann tiefe Ängste vor Ablehnung und dem Verlust von Selbstwertgefühl auslösen. Die Angst, nicht gut genug zu sein oder von anderen abgelehnt zu werden, führt zu einem starken emotionalen Druck. Diese Ängste können eine lähmende Wirkung haben, die unsere Handlungsfähigkeit einschränken. Die Ursache für diese Ängste sind meist mit Erfahrungen in unserer Kindheit verknüpft. Mit Situationen, in denen wir von unseren Eltern streng ermahnt oder ungerecht behandelt wurden.
#5 Stresshormon-Ausschüttung:
Die Aktivierung des inneren Kritikers führt zur Freisetzung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin. Ein erhöhter Spiegel dieser Hormone kann zu körperlichen Symptomen wie Herzrasen, flacher Atmung und Muskelanspannung führen, was das Gefühl der Lähmung verstärkt.
#6 Fehlen konkreter Handlungsanweisungen:
Kritik allein bietet oft keine klaren Handlungsanweisungen, wie man mit der Situation umgehen soll. Das Fehlen konkreter Lösungswege kann zu einer Art „Denkstarre“ führen, da die Person unsicher darüber ist, wie sie reagieren soll.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Anna nicht in der Lage war, ihrem Chef gelassen und selbstbewusst gegenüberzutreten.
Mit Kritik gelassen umgehen in fünf Schritten
Schritt 1: Selbstreflexion inmitten des Sturms
Der erste Schritt,,der für Anna wichtig war die Selbstreflexion. Gemeinsam analysierten wir ihre Reaktionen und erkannten, dass der innere Kritiker in dieser Situation besonders aktiv war.
Anna nahm sich bewusst Zeit, um ihre Gedanken und Gefühle zu erforschen, ohne sich selbst zu verurteilen.
Sie erkannte, dass ihr innerer Kritiker sie verunsichert und unter Druck gesetzt hatte. Und sehr viel Stress in ihr selbst ausgelöst wurde – und nicht von ihrem Chef.
Mit Gedanken wie: Du machst ja sowieso nie was richtig, du musst dich mehr anstrengen, andere hätten das besser hingekriegt.
Ihr wurde klar, welche heftigen Gefühle diese Gedanken auslösten und wie streng sie mit sich selbst umging.
Schritt 2: Bewusstes Atmen als Ankerpunkt
Damit Anna beim nächsten Mal ruhig bleiben kann, zeigte ich ihr, wie wichtig es ist, in diesen herausfordernden Situationen erst mal durchzuatmen. Damit das Nervensystem wieder runterfährt und sie klar denken kann.
Jedes Durchatmen senkt das Stresslevel im Körper und hilft uns, ruhiger zu werden. Und wir können wieder rational und logisch denken.
Damit wir das in diesen Situationen können, ist es wichtig, das bewusste Durchatmen regelmäßig im Alltag zu üben. Jedes Durchatmen schenkt uns Ruhe und Klarheit. Und ist wie eine kleine wohltuende Pause, die uns neue Kraft und Klarheit schenkt. Weil dadurch automatisch der Teil unseres Gehirns aktiviert wird, der für das logische und rationale Denken zuständig ist.
Schritt 3: Die Perspektive des Chefs einnehmen
Es war wichtig, die Perspektive des Chefs zu verstehen. Anna erkannte, dass sie die Kritik nicht persönlich nehmen musste, weil sie aus Frustration und Missverständnissen resultierte.
Ihr wurde klar, dass ihr Chef Kritik oft sehr unreflektiert äußerte, das hatten ihr einige Kollegen schon erzählt. Das half ihr, sich nicht vollständig von der Kritik getroffen zu fühlen.
Und sie verstand, dass die Kritik mehr über den Chef aussagte als über sie selbst. Vermutlich wollte er nur seinen Frust loswerden, weil er selbst die Dinge nicht im Griff hatte.
Schritt 4: Konstruktive Wege finden
Wir besprachen, wie sie in Zukunft mit solchen Situationen umgehen kann.
Es ist wichtig, sich das konkret zu überlegen, weil unser Gehirn eine alternative Handlungsmöglichkeit braucht. Sonst fallen wir immer wieder in die gleichen Muster.
Für Anna war die Idee hilfreich, in der Situation ruhig zu bleiben, weil ihr klar war, dass jede Rechtfertigung und Diskussion die Situation nur verschärfen würde.
Sie wollte aber in Zukunft nach so einem Vorfall um ein Gespräch bitten und ihre Sicht der Dinge schildern, um so eine Grenze zu setzen.
Diesen Schritt setzte sie gleich um und war überrascht, wie positiv ihr Chef darauf reagierte. Sie konnten in Ruhe besprechen, was Anna brauchte, um in Zukunft die Termine einzuhalten.
Sie fühlte sich danach selbstbewusster und war froh, dass sie diesen neuen Schritt gewagt hatte.
Schritt 5: Selbstmitgefühl als Wegbegleiter durch Stürme
Wenn unser innerer Kritiker sehr aktiv ist, brauchen wir als Gegengewicht den Anteil in uns, der uns mit Freundlichkeit und Mitgefühl begegnet. Der Verständnis zeigt, uns tröstet und ermutigt. Das sogenannte fürsorgliche Eltern-Ich.
Ich fragte Anna, was sie ihrer besten Freundin jetzt in so einer Situation sagen würde. Und sie musste lächeln.
Sie fand viele unterstützende Sätze, die sie sich selbst sagen konnte und ihr schnell ein Gefühl von Entspannung und Zuversicht gaben Sie merkte, wie anders sie die Situation jetzt sehen konnte und wie schnell der Stresslevel nach unten ging.
Selbstmitgefühl ist eines der wirkungsvollsten Werkzeuge, das uns hilft, in schwierigen Situationen gelassener zu bleiben. Es lässt den inneren Kritiker leiser werden und senkt so unser Stresslevel.
Fazit: Souveränität durch Selbstmitgefühl
Massive Kritik kann wie ein Sturm über uns hereinbrechen, aber mit den richtigen Werkzeugen können wir trotzdem auf Kurs bleiben.
Selbstreflexion, bewusstes Atmen, ein Perspektivwechsel, neue Wege und Selbstmitgefühl für neue Lernerfahrungen sind die Navigationsinstrumente, die uns durch diese turbulenten Zeiten führen.
Mit Selbstmitgefühl an unserer Seite können wir gestärkt und souverän aus diesen Herausforderungen hervorgehen. Und eine wunderbare Freundschaft mit uns selbst beginnen.
Wenn du dir Unterstützung und Begleitung wünschst, um mit Kritik gelassener umzugehen und den Ursachen auf den Grund zu gehen, dann buche gerne ein kostenloses Informationsgespräch mit mir. Hier kannst du direkt einen Termin buchen
Ich wünsche dir viele gute Erfahrungen mit diesen fünf Schritten. Und viele Momente zum Durchatmen!
Herzliche Grüße
0 Kommentare