Wenn der Tod uns begegnet – Über den Umgang mit Trauer und Abschied

02 November 2024 | 0 Kommentare

In diesem Beitrag lade ich dich ein, den Umgang mit Trauer und Verlust aus einer ganz persönlichen Perspektive zu betrachten. Und vielleicht auch für den Umgang mit deiner eigenen Trauer und den Erfahrungen mit dem Tod neue Wege zu finden.

Ich erzähle von meinen Erfahrungen mit dem Tod – von den ersten Verlusten in der Kindheit über das Abschiednehmen von meinen Eltern bis hin zur Begleitung trauernder Menschen in meiner Arbeit als Therapeutin.

Am Ende findest du einen Hinweis auf ein Angebot für verwaiste Mütter von meiner Kollegin Margaretha Schedler, die nach dem Tod ihres Sohnes eine besondere Form der Trauerbegleitung ins Leben gerufen hat.

 

Trauer und Tod – und der unsichtbare Faden der Verbundenheit

Das erste Mal ist mir der Tod begegnet, als ich vier Jahre alt war. Mein geliebter Opa Alfred starb mit 56 Jahren.

Kurz davor habe ich ihn noch im Krankenhaus besucht. Er wurde nach einem Herzinfarkt dort eingeliefert und lag in seinem gestreiften Schlafanzug in dem großen, weißen Bett.

Ich krabbelte unter die Bettdecke und schmiegte mich an ihn und wollte ihn nicht mehr verlassen.

Als meine Eltern mich von ihm wegzogen, schrie und strampelte ich. Und ich wurde ausgeschimpft, weil mein Opa sich doch nicht aufregen sollte. Vielleicht spürte ich, dass ich ihn das letzte Mal sah.

Als er gestorben war, pflückte ich einen Strauß Gänseblümchen und legte sie auf sein Grab. Neben die großen Kränze mit den glänzenden Schleifen. Zu seiner Beerdigung durften wir Kinder nicht mit. Damals dache man noch, dass das nichts für Kinder ist.

Ich vermisste ihn. Wie gerne wäre ich gerne noch mal mit ihm zusammen am Bach hinter dem Haus entlanggelaufen. Meine kleine Hand warm in seiner großen geborgen.

Ich führte in meinem Kopf und in meinem Herz noch lange Gespräche mit ihm. Wenn ich abends im Bett lag, stellte ich mir vor, dass er oben im Himmel auf einer Wolke sitzt und zu mir herunterschaut. Und wenn ich die Augen schloss, konnte ich spüren, wie seine Hand mir über den Kopf strich.

Ich hatte immer noch einen unsichtbaren Faden, der mich mit ihm verband und fühlte mich getröstet, weil er so nicht ganz aus meinem Leben verschwunden war.

 

Die Tod – ein tiefer Riss in meinem Leben 

Als ich 41 war, starb meine Mutter. Sie war gerade 60 Jahre alt geworden. Ich saß mit meiner Familie am Frühstückstisch, das Telefon klingelte und meine Schwester sagte: Gestern Nacht ist Mama gestorben. Wir weinten beide und waren erst mal stumm vor Schmerz.

Sie war völlig überraschend gestorben und ich konnte mich nicht von ihr verabschieden. Ihr Tod ging wie ein tiefer Riss durch mein Leben. Ich brauchte lange, um all den Gefühlen Raum zu geben, die ihr Tod mit sich brachte.

Meine Mutter hatte kein sehr leichtes Leben gehabt. Und war oft unglücklich. Ich hatte oft gehofft, dass das Glück noch mal Einzug in ihr Leben halten würde. Und musste jetzt damit leben, dass viele ihrer Träume und Hoffnungen sich nicht erfüllt hatten. Obwohl wir Kinder ihr das sehr gewünscht hätten.

Immer wieder wurde ich von den Tränen und dem Schmerz überwältigt. Und durchlebte das erste Mal all die Phasen der Trauer wie auf einer wilden Flussfahrt.  Immer wieder wurde ich emotional durcheinandergewirbelt und erlebte die schmerzliche Endgültigkeit des Todes.

Aber ich erlebte, wie es friedlicher in mir wurde. Und vor allen Dingen erkannte ich in Gesprächen mit meiner Schwester, dass wir Kinder ein großes Glück und ein großes Geschenk für unsere Mutter waren. Eine glückliche Beziehung zu einem Mann hatte sie nicht erlebt. Aber das Leben mit uns drei Kindern hatte ihr neben viel Überforderung auch viel Liebe geschenkt.

Und ich spürte viel Dankbarkeit in mir, dass sie mir das Leben geschenkt hatte. Und ich viele ihrer Stärken und Fähigkeiten, die ich von ihr habe, leben und in die Welt bringen darf. Sie war ein Kriegskind und hatte diese Möglichkeiten nicht.

Bei einem Schreibkurs habe ich neulich einen Text über meine Mutter vorgelesen. In dem ich darüber schrieb, dass in ihr eine Künstlerin verborgen war, die sie nicht leben konnte. Und eine Teilnehmerin, die sehr berührt von meinem Text war sagte: Und du bist auch eine Künstlerin. Eine Künstlerin der Worte.

Da spürte ich wieder die tiefe Verbindung zu meiner Mutter. Und die Dankbarkeit für die vielen Geschenke, die sie mir mit auf den Weg gegeben hat.

Mehr zur Geschichte meiner Mutter kannst du in diesem Blogbeitrag lesen: Frieden mit der Mutter schließen – und das eigene Herz heilen. 

Ein Vater-Tochter Band – über den Tod hinaus

Vor acht Jahren musste ich meinen Vater verabschieden. Ihn durfte ich auf seinem letzten Weg begleiten. Er hatte Krebs und in den anderthalb Jahren, die er nach seiner Diagnose noch lebte, besuchte ich ihn oft in Hamburg. Ich machte lange Spaziergänge durch die Straßen seiner Kindheit und Jugend. Und saß mit ihm in seinem Lieblingscafé an der Alster.

Wir hatten immer ein sehr distanziertes Verhältnis, seit er meine Mutter und uns verlassen hatte, als ich 11 Jahre alt war.

Er wusste, dass ich gerne mehr über ihn, sein Leben und seine Familiengeschichte wissen wollte. Und er fing an, mir davon zu erzählen.

Wir rückten in dieser Zeit ein bisschen näher zusammen und das Fremde an in ihm wurde mir vertrauter. Ein neues Vater-Tochter Band wurde durch seine Erzählungen zwischen uns gewebt. Und er, der immer auf Distanz gegangen war, ließ in diesen Gesprächen Nähe zu.

Ich versprach ihm, dass ich ihn ins Hospiz begleiten würde. Und als es so weit war, reiste ich von Ravensburg nach Hamburg und half ihm, diesen letzten Gang so würdevoll wie möglich zu gehen. Nach nur fünf Tagen im Hospiz starb er. Spät am Abend, als niemand mehr bei ihm war.

Meine Geschwister und ich verabschiedeten uns bei einer Seebestattung auf der Ostsee von ihm. Sein freier Geist sollte dort einen guten Platz für sich finden.

Als die Schiffsglocke läutete und seine Urne ins Wasser gelassen wurde, brach die Sonne durch die Wolkendecke. Und das glitzernde Wasser breitete sich vor uns aus. Vielleicht war das sein letzter Gruß an uns.

 

Auf den Tod kann man sich nicht vorbereiten

Bevor mein Vater starb, sprach ich mit einer Therapeutin. Ich fragte sie, wie ich mich auf seinen Tod vorbereiten könne. Sie schaute mich an und sagte: Darauf kann man sich nicht vorbereiten.

Mir wurde klar, dass der Tod immer wie ein Unbekannter sein wird. Den wir als Teil des Lebens akzeptieren müssen.

Und dass wir ihn und die Gefühle, die mit ihm verbunden sind, nicht in den Griff bekommen können. Wir können sie nur fühlen. Wir können uns nur erlauben, Trauernde zu sein und unseren eigenen Weg des Abschieds zu gehen.

 

Trauer braucht Raum

Als ich als Therapeutin in einer Klinik gearbeitet habe, war eine meiner großen Herausforderungen die Begleitung von Eltern, die ihr Kind verloren hatten. Durch Krankheiten, durch Unfälle und sogar durch Suizid.

Ich fühlte mich erst mal hilflos und wusste nicht, wie ich ihnen in diesem schlimmsten aller Schmerzen beistehen kann.

Aber ich durfte lernen, dass es vor allen Dingen um Zuhören und das Dasein ging. Um so einen Raum zu schaffen, in dem sie mit ihrer Trauer Platz bekommen.

Sie erzählten, dass Freunde und Nachbarn ihnen aus dem Weg gehen, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Oder dass sie gesagt bekommen: Das Leben muss doch weitergehen.

In unserem Gesprächen durften sie von ihren Kindern erzählen, von all den Fragen und Verzweiflungen, mit denen sie kämpften.

Ich lernte, dass es wichtig ist, mein Herz für ihre Trauer aufzumachen und nicht sofort nach Trost und den nächsten Schritten zu schauen. Ihnen mein Mitgefühl anzubieten und mit ihnen auszuhalten, dass es für diesen Schmerz keinen schnellen Trost gibt.

Trauer braucht zuerst einmal Raum, in dem sie sein darf. Mit den Tränen, der Angst, der Wut, den Schuldgefühlen und dem Schmerz, die sie mit sich bringt.

Und dafür braucht es andere Menschen, die den Raum dafür halten. Die da sind. Und ihre eigene Ohnmacht aushalten können. Denn oft macht es uns ohnmächtig, dem Tod und der Trauer zu begegnen.

Wenn dieser Raum entsteht, dann wird es sehr oft friedlich und still. Und nach der inneren Dunkelheit kann dann manchmal ein Licht erscheinen, das über den Tod hinausweist.

 

Trauerbegleitung für verwaiste Mütter

Eine Kollegin von mir, Margaretha Schedler, hat vor ein paar Jahren ganz plötzlich ihren erwachsenen Sohn verloren, ihr einziges Kind.

Aus ihrer Erfahrung hat sie ein Angebot für trauernde Mütter entwickelt. Sie schreibt dazu:

„Wie geht trauern?“, habe ich meine Freundin und Klosterschwester nach dem Tod unseres Sohnes 2020 gefragt? Ihre Antwort: „Schreibe Dir alles von der Seele“ Das war meine Rettung. So entstand mein Trauertagebuch, in dem ich immer wieder lese und das mir hilft in Liebe und Dankbarkeit Michael im Herzen zu bewahren.

Aufgrund meiner positiven Erfahrung im Schreiben ergab sich der Wunsch, verwaiste Mütter mit dem E-Mail-Tagebuch Von Mutterherz zu Mutterherz zu unterstützen.

Mehr dazu kannst du in ihrem Blogbeitrag „Von Mutterherz zu Mutterherz lesen.
Und im Podcast „Liebevoll trauern“  mit Christine Kempkes kannst du ihre Geschichte hören: Nach dem Tod des Sohnes zurück ins Leben.

 

Der Tod hält mich wach

Seit dem Tod meiner Eltern ist er für mich realer geworden. Ich versuche, ihn nicht als Feind zu sehen.

Und denke sehr oft an einen Spruch von Josef Beuys, den ich vor Jahren in einer Ausstellung gesehen habe. In großen Buchstaben stand dort an der Wand: Der Tod hält mich wach.

Und ja: Der Tod hält mich wach. Er lässt mich nicht in den Schlaf der Gleichgültigkeit für mein Leben versinken. Er erinnert mich daran, dass mein Leben ein Geschenk ist, das ich jeden Tag mit Achtsamkeit und Dankbarkeit auspacken möchte.

Der Tod gehört zum Leben dazu. 
Aber er wird ausgesperrt, verdrängt – 
und mit ihm die Menschen, denen er begegnet ist. 

Tod und Trauer brauchen Raum in unserem Leben. 
Damit wir mit der Endlichkeit des Lebens 
Frieden schließen können. 

Damit wir auch in dunklen Zeiten des Abschieds 
mit anderen verbunden sein dürfen. 

Und uns immer wieder bewusst wird, 
dass jeder Tag ein Geschenk an uns ist.

Text aus meinem Buch: Gute Gedanken für den Tag
Band 4 – Innere Kraft finden

Herzliche Grüße

 

Alexandra

 

Portrait Alexandra Cordes-Guth

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